Mehr als eine Interessengemeinschaft – Dr. Szabolcs Gimesi über ein aktives und zukunftsorientiertes Gemeindeleben

Mehr als eine Interessengemeinschaft – Dr. Szabolcs Gimesi über ein aktives und zukunftsorientiertes Gemeindeleben

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Er scheint ganz unermüdlich in seinem Einsatz für unsere Kirchengemeinde. Und wann immer es Herausforderungen gibt, hat er auch schon Problemlösungen zur Hand. Dr. Szabolcs Gimesi setzt sich mit juristischem Verstand und christlichem Herz für seine Gemeinde ein – nicht nur, wenn es um das neue Gemeindehaus geht. Der Reiz des Ehrenamtes und Gedanken zur Zukunft des Gemeindelebens – hierüber sprach Dr. Szabolcs Gimesi mit dem Christophoros. Quelle: Christophoros. A Soproni Evangélikus Egyházközség lapja. 2014. húsvét. Text und Bild: Holger Manke

Was motiviert dich persönlich dazu, dich so intensiv für die Gemeinde einzusetzen?

Im Leben hat mich nie interessiert, Geld für bestimmte Aufgaben zu bekommen, sondern immer, dass ich das, was ich übernehme, auch anständig mache. Ich war mein ganzes Leben über immer auch ehrenamtlich – ohne Bezahlung – in irgendeinem Bereich des gesellschaftlichen Lebens, sei es im Automobilclub, sei es im Segelverein. 

Was gibt dir das?

Es gibt Erfolgserlebnisse. Ich denke, dass es immer auch ein wichtiger Aspekt des Lebens ist, dass das, was man kann und tut, auch Ergebnisse bringt und man selbst damit zufrieden sein kann. Das gibt einem das Gefühl, dass die Mühen nicht vergeblich waren. In Japan sagt man: Das Bemühen ist das Wesentliche. So sehe ich es auch, und deshalb habe ich stets ein möglichst aktives Leben geführt und möchte das auch im Ruhestandalter nicht abbrechen.

Was denkst du, was macht unsere Gemeinde zu einem attraktiven Ort, um sich ehrenamtlich zu engagieren?

Ich denke, das Gemeinschaftsgefühl kann so ein Motivator sein. Wenn jemand das Gefühl hat, dass nicht er die Gemeinschaft, sondern auch die Gemeinschaft ihn braucht – und wenn er darüber hinaus ähnlich denkt wie ich, dann kommt er zum Entschluss, tatsächlich in dieser Gemeinschaft etwas zu tun. Und dann muss es freilich auch und vor allem Selbstanspruch sein, dass man das, was man annimmt und übernimmt, auch tatsächlich durchführt.

Eine Frage – zum neuen Gemeindehaus: Hättest du diese Aufgabe übernommen, wenn du ganz genau gewusst hättest, welche Herausforderungen sich dir stellen?

Ich war ziemlich sicher darin, was mich erwarten wird. Ich habe nur damit nicht gerechnet, dass mein Energiehaushalt nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren ist. Das heißt, ich muss mehr Kraft aufbringen, um zum selben Ergebnis zu kommen.
Das neue Gemeindehaus selbst ist mir auch familiär nahe: Mein Großonkel war einst Direktor des Hauses. Und so war es mir auch persönlich ein Anliegen, eine Funktion für dieses Gebäude zu finden – und dies konnten wir darin finden, dass das Haus der Kirche dienen soll. Das war natürlich auch Motivation – auch darüber hinaus, dass mir klar war, dass ich nicht nur vor Ort aktiv sein muss, sondern dass ich oftmals spät nachts und früh morgens wach bin und darüber nachdenke, wie einzelne Probleme gelöst werden können. Im Großen und Ganzen wusste ich, was auf mich zukommt. Womöglich kam dann ein klein wenig mehr, aber jetzt gibt es keinen Halt mehr. Das ist wie bei den Arbeitern im Weinkeller: Wenn sie anfangen, das Weinfass in den Keller zu rollen, ist klar, dass das Weinfass nicht auf halber Strecke stehen bleiben wird. Allenfalls zerschmettert das Weinfass, wenn es unten ankommt, aber das muss man unter allen Umständen zu verhindern wissen.

Im Dezember wirst du 70 Jahre alt – und musst, so lautet das Gesetz, auch deine Funktion als Dekanatskurator aufgeben. Wie siehst du es: Musst du oder darfst du diese Aufgabe abgeben?

Meiner Kenntnis nach kam das Gesetz einst so zustande, dass ein so alter Herr eine solche Funktion hatte, dass man sagte, dass es nicht mehr besonders glücklich ist, wenn er weiterhin dieses Amt ausübt. Und meine Meinung ist, dass man mit 70 Jahren komplizierte und kraftraubendere Aufgaben wirklich abgeben darf. Und gerade die Aufgaben eines Kurators im Dekanat oder Kirchenkreis sind so breit gefächert, dass es der Sache dient, wenn sie Jüngere übernehmen.
Auf Gemeindeebene ist das anders, da können auch die Über-70-Jährigen noch hervorragend Aufgaben übernehmen – da ist die Entscheidung, wie lange man das macht, eher der Selbstkontrolle eines jeden Einzelnen anbefohlen.

Wenn wir ins neue Gemeindehaus gezogen sind und damit eine große Immobilienfrage abgeschlossen sein wird, zu welchen Ufern sollten wir als Gemeinde aufbrechen. Welche Visionen hast du womöglich?

Eine Kirchengemeinde ist ja zunächst eine geistliche Gemeinschaft. Hier geht es nicht um ein gemeinsames Hobby, wir sind auch keine Interessengemeinschaft. Sondern unser gemeinsamer Glaube hält uns zusammen – und das ist etwas viel tieferes.
Ich denke, die ungarische Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren umstrukturiert. Menschen sind viel seltener in Gemeinschaften anzutreffen, sondern leben oft lieber zurückgezogen. Das hat viele Gründe, die zu bedenken hier zu weit führen würden.

Für uns als Kirche bedeutet das, dass wir die Kirche in ihrer Organisation grundlegend bedenken müssen. Die großen breit angelegten volkskirchlichen Strukturen funktionieren nicht mehr besonders gut. Aber in kleinen Gemeindegruppen sind wir stark – und hier können wir sicher manches mehr stärken. Fraglich ist, wie diese Kleingruppen sich zu einer größeren Gemeinschaft zusammenschließen können. Das muss noch gelöst werden.

Einst war der Gottesdienst am Sonntag Vormittag der Ort, an dem sich die ganze Gemeinde – also auch die Mitglieder der verschiedenen Gruppen und Kreise – getroffen hat. Siehst du eine Chance, dass der Gottesdienst diese Bedeutung wieder zurückgewinnen kann?

Momentan nicht. Was ich jetzt sage, gilt gerade für den deutschen Gottesdienst nicht, denn dort kennt man sich untereinander. Aber bei einem größeren Gottesdienst, bei Weihnachts- oder Ostergottesdiensten haben viele Gottesdienstbesucher keine Ahnung, mit wem man in der Bank sitzt. Sie kennen einander nicht. Und dann verlassen sie die Kirche ohne Gemeinschaftserlebnis. Sie hatten eher ein Vortragserlebnis – sie haben den Pfarrer, die Predigt angehört, haben eventuell an der Liturgie teilgenommen.

Was wäre also zu tun?

Ich beziehe mich auch auf Klaus Douglass, wenn ich vorschlage, dass Gottesdienste interessanter gemacht werden sollten. Wichtig ist, dass Gottesdienst nicht so mechanisch verlaufen. Dass wir das Glaubensbekenntnis – wie im deutschen Gottesdienst – auch singen können, ist zum Beispiel etwas Neues. Darauf musste man Acht geben, und auch Inhaltliches kam uns so wieder neu ins Bewusstsein. Ein anderes Beispiel ist die Dialogpredigt, die Du mit Eszter gehalten hast. Ich denke, in dieser Kirche gab es so etwas noch nie – und alle haben mit weit geöffneten Augen und Ohren aufgepasst, weil es interessant war. Ich denke, solche Anstöße tun dem Gottesdienst gut – nicht alles im Grunde verändern, aber hier und da kleine Veränderungen. Zudem ist es wichtig, dass die Lebenswirklichkeiten der Menschen im Blick sind und – mit Verweis auf Csaba Böjte – mit klaren, einfachen Beispielen in einer alltäglichen Sprache gesprochen wird.
Zudem kann man auch musikalisch einiges tun – ein Chor oder ein Posaunenchor, neue Lieder im Gleichgewicht mit den alten bekannten Liedern. Das kann ich alles natürlich nur aus der Sicht des Gottesdienstbesuchers sagen. Doch dies scheinen mir Chancen zu sein, wie der Gottesdienst noch mehr Menschen erreichen könnte.

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