Das Fernsehen brachte die Hilferufe und die Leute spendeten. Firmen, die Lebensmittel produzierten, brachten große Mengen von Konserven in die Sammelstelle, wo von zahlreichen Helfern alles auf Paletten gepackt wurde. Und der Spendenstrom hörte nicht auf. Bis zum Morgen des 24. Dezembers stand fest, es würden einige Dutzend LKWs erforderlich sein, alle diese Güter zu transportieren. Das Rote Kreuz wurde um Hilfe gebeten, und so erging ein Aufruf an alle Mitarbeiter, sich als Begleitung für diesen Konvoi zu melden.
Auch ich meldete mich und sollte zusammen mit meinem Kameraden Hannes aus der Bezirksstelle einen der 15 Sanitätskraftwagen, die als Begleitfahrzeuge vorgesehen waren, übernehmen. Diese kamen aus allen sieben Bezirken des Burgenlandes. Nun hieß es warten, noch wurden die LKWs beladen, in den Hallen in Mattersburg herrschte Hochbetrieb. Über zwei Tage durften die Helfer immer wieder neue Sachspenden entgegen nehmen. Doch dann kam am 25. Dezember vormittags der lang erwartete Augenblick: Heute um 17 Uhr ist Abfahrt. Das Warten hatte ein Ende.
Den Menschen bot sich bei der Abfahrt in Mattersburg ein atemberaubender Anblick, als sich eine eineinhalb Kilometer lange Fahrzeugschlange in Bewegung setzte. Die Fahrt ging über Eisenstadt zur Grenzstation Nickelsdorf, dann weiter über Győr, Budapest und in südlicher Richtung über Szeged zur ungarisch-rumänischen Grenze.
Unterwegs hatten wir über Funk Meldungen unserer Voraustruppe über Probleme in Rumänien empfangen: Es wird überall geschossen, Straßen sind vermint, auf jeden Fall an der Grenze anhalten und weitere Anordnungen abwarten. Der Rot-Kreuz-Katastrophenbeauftrage klang nicht sehr optimistisch. Er hatte mit seinem Team die Sicherheit des Konvois zu beachten, die Lage zu erkunden und für einen reibungslosen Ablauf der Güterübergabe zu sorgen. Geplant war als Zielort Hermannstadt.
Im Morgengrauen erreichten wir die Grenze wurden angehalten. Da der Konvoi angekündigt war, gab es nur Stichproben der Grenzsoldaten. Dann hieß es warten. Geduld ist aber nicht jedermanns Sache, bald begannen die Fernfahrer unruhig zu werden. Sie wollten ja bald wieder zu Hause sein. Bald waren heftige Diskussionen im Gange: weiterfahren oder doch den Bescheid der Voraustruppe abwarten. Mitten in der heißen Diskussion kam von rumänischer Seite ein ungarischer Lkw und hielt an. Ein verstört wirkender Fahrer sprang heraus und rief uns etwas zu. Die ungarisch verstanden, wurden bleich: Ein ungarischer Lkw war auf eine Mine geraten und in die Luft geflogen. Außerdem fielen immer wieder Schüsse, es war noch sehr gefährlich. Der ungarische LKW kam von Hermannstadt, also von unserem Ziel. Vom Weiterfahren war nun keine Rede mehr, alle warteten geduldig, bis unser Katastrophenbeauftragter zu uns stoßen würde.
Gegen Mittag kam er dann schickte uns mir rumänischem Geleitschutz nach Oradea. Der Konvoi setzte sich wieder in Bewegung und nach weinigen Stunden gelangten wir nach Oradea. Die Soldaten dirigierten uns in ein Fabrikgelände, wir bemerkten zahlreiche Hallen, die aber alle leer waren. Kein Mensch weit und breit, die Soldaten öffneten einige Hallen. Die LKWs mussten nun entladen werden, aber wir hatten dafür zu wenig Personal. Deshalb fuhren die Soldaten mit Lautsprecherwagen durch die Straßen und riefen Freiwillige zur Hilfe. Es kamen mehr, als nötig waren, denn alle wollten helfen. Ein bewegendes Bild: Rotkreuzpersonal aus Österreich, rumänische Soldaten, Zivilpersonen – sie alle arbeiteten Hand in Hand.
Wir wollten uns bei den vielen fleißigen Helfern, die sich abmühten, gerne bedanken und organisierten schnell einiges aus unserer Verpflegung: Konserven, Schokolade, Getränke, Obst, auch Kaffee und Kakao, die wir den Leuten heimlich zukommen ließen, denn das war offiziell verboten. Unter heißen Dankesworten verschwanden diese Helfer in der Dunkelheit. Die Soldaten waren nicht interessiert, uns Schwierigkeiten zu machen. Es war doch Weihnachten. Eine dunkle Nacht, mit einem hellen Stern auf dem Himmel.