Die Verbindungen zwischen der bayerischen und der ungarischen Kirche sind inzwischen – Gott sei Dank! – so vielgestaltig und unübersichtlich, dass es kaum möglich ist, alle Kontakte auf Ebene der Gemeinden und Dekanate, der Schulen und Kindergärten, der Diakonie, der Frauenarbeit, der theologischen Ausbildungsstätten und der Kirchenleitung gleichermaßen im Blick zu haben. Doch entscheidend sind zunächst die Partnerschaften vor Ort, die die alle fünf Jahre unterzeichneten Verträge nicht nur mit Leben füllen, sondern zumeist ganz eigenständig und lebendig Erfahrungsräume in der Gemeinschaft untereinander und der Gemeinschaft mit Gott öffnen. Die weltweite Kirche Jesu Christi erleben – gerade indem der Blick über den eigenen landeskirchlichen Horizont hinausgeht und sich die Partner tatsächlich auf Augenhöhe begegnen. Wo das geschieht, fängt Partnerschaft an. Eine recht junge Gemeindepartnerschaft steht gerade am Ende des zweiten Jahres ihres Bestehens. Menschen aus Ebern und der Budapester Gemeinde am Deák-Platz haben eine Partnerschaft gegründet und begegnen sich regelmäßig. Was alleine die Jugendlichen beider Gemeinden an Erlebnissen und Erfahrungen aus ihrer Gemeinschaft schöpfen, wäre alleine schon Grund genug, eine solche landeskirchliche Partnerschaft zu fördern. Da weitet sich der Horizont von Jugendlichen, sie nehmen das Fremde mit offenem Herzen an, knüpfen mit Entdeckerfreude Freundschaften über Landes- und Sprachgrenzen hinweg. Und manch einer, der vom Wesen her eher still und zurückhaltend ist, findet ebenso den Weg in die Gemeinschaft wie der „Kommunikator“ unter der Teenagern, der zwar nicht gerade grammatikalisch geschliffenes Deutsch spricht, aber mit seiner integrativen guten Laune Deutsche und Ungarn zusammenführt. Begegnungen wie diese tragen dazu bei, dass die Jugendlichen durch die Partnerschaft tatsächlich Bereicherungen erleben dürfen, die sie in ihrem Umgang mit dem Fremden, im Weitblick und nicht zuletzt in ihrem Glaubensleben stärken. Und das Wertschätzen des Anderen sorgt auch dafür, dass sie über sich selbst und über das, was sie bislang als „normal“ erachteten, ins Nachdenken kommen. Beide Gemeinden verzeichnen übrigens durch die Partnerschaft auch eine deutliche Stärkung ihrer jeweiligen gemeindlichen Jugendarbeit. Freilich gibt es nicht minder wertvolle Erfahrungen auch auf Ebene der Erwachsenen, der Kirchenvorsteher und Pfarrer, die ebenfalls die – nicht selten umwerfende – Gastfreundschaft des Partners erleben durften. Und wenn man seine eigenen Schablonen davon, wie Kirche und Gemeinde idealerweise funktioniert, zu Hause lässt und seine Gemüt frei macht für all das, was kirchliches Leben für den Partner bedeutet, dann können wir voneinander viel lernen. So kam einst die Tradition der Osternacht aus Bayern nach Ungarn, so wurde hie und da das Kirchenkaffee eingeführt – und so können auch wir Bayern in vieler Hinsicht, etwa in der Jugendarbeit oder in der Vorbereitung auf Kasualien, Impulse für unser Tun vor Ort sammeln. All dies sind Grunderfahrungen, die jährlich – so auch 2012 – von vielen Menschen in Bayern und Ungarn gesammelt wurden. Sie sind in ihrer Art nicht völlig neu, doch für die Basis und die Verankerung der Partnerschaft ungeheuer wertvoll. Die verschiedenen Begegnungen und Austausche, Konferenzen und Feierlichkeiten in kleinerem und größerem Ausmaß stehen somit auf dem Grund der genannten Basiserfahrungen, die je nach Partnerschaftstyp unterschiedliche Äußerungsformen haben. Und auf diesem Grund des vielfältigen Miteinanders stand 2012 auch das Partnerschaftsjubiläum, das vom 11. bis zum 14. Oktober 2012 unter dem Motto „20 Jahre gemeinsam in BeWEGung“ in Nürnberg stattfand. Die Vielfalt zeigte schon allein das Programm: Andachten und Gottesdienste, Musik- und Tanzdarbietungen, Gespräche und Workshops, Spiel und Sport, gesellschaftliche Fragen und spirituelles Miteinander – und natürlich ein Festakt mit hohen Vertretern beider Kirchen, darunter Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm und der leitende Bischof Péter Gáncs. Rund 500 Gäste kamen aus Ungarn, etwas weniger aus Bayern. Und diejenigen, die nach Nürnberg kamen, erlebten doch mehr als das, was das Programmheft vorgesehen hatte: Da sitzen langjährige Partner zusammen und gewinnen durch das Jubiläum neue Impulse für ihre eigene Partnerschaft. Da plaudern Lehrer aus Schulpartnerschaften mit Vertretern aus Gemeindepartnerschaften – und Ideen neuer Partnerschaften werden jedenfalls vorsichtig angedacht. Da tauschen sich Partnerschaften untereinander aus und stoßen auf ähnliche Freuden, aber auch ähnliche Herausforderungen in ihrem Partnerschaftsalltag. Kurzum: Die einzelnen Partnerschaften erleben nicht nur sich selbst, sondern erleben eine Gemeinschaft von Menschen, die ganz unterschiedlich sind und doch denselben, nämlich einen bayerisch-ungarischen Horizont haben: Es sind Menschen, denen die Partnerschaft ein Herzensanliegen ist und die je in ihrem Wirkungskreis viel Engagement aufbringen. Und die durch die Partnerschaft ein wenig mehr dem auf die Spur gekommen sind, was die weltweite Kirche Jesu Christi eigentlich meint. Die bayerisch-ungarische Partnerschaft ist am Ende des Jahres 2012 hervorragend aufgestellt. Keine Frage: Menschen wie Kirchenrat Ulrich Zenker und dessen Vertreterin Claudia Dunckern auf bayerischer Seite sowie Dr. Klára Tarr-Cselovszky auf ungarischer Seite haben wertvolle Aufgaben in der Koordination geleistet. Doch der eigentliche Grund liegt da, wo in persönlichen Begegnungen und in den verschiedenen Bereichen kirchlichen Lebens Menschen entdecken und erleben, wie viel sie als evangelische Christen in beiden Ländern und beiden Kirchen gerade auch im gemeinsamen Glauben miteinander verbindet und welchen Reichtum die Partnerschaft damit für uns bereit hält.
Zum 20-jährigen Jubiläum der Partnerschaft zwischen Bayern und Ungarn – Ein subjektiver Blick auf das Miteinander im bayerisch-ungarischen Horizont
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