Halt im Glauben – das können wir von den Ungarn lernen – Kirchenrat Ulrich Zenker im Gespräch

Halt im Glauben – das können wir von den Ungarn lernen – Kirchenrat Ulrich Zenker im Gespräch

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Text und Photo: Holger Manke, Quelle: Christophoros - 2015. Reformationsausgabe
Wie gut, dass es kirchliche Partnerschaften gibt – zwischen Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen ebenso wie auf landeskirchlicher Ebene –, bieten sie doch ein Beispiel dafür, wie Kirchturmdenken überwunden und weltweite Kirche Jesu Christi konkret und anschaulich gelebt werden kann. Ein besonderes Beispiel ist die Partnerschaft zwischen der ungarischen und der bayerischen Landeskirche. Kirchenrat Ulrich Zenker berichtet darüber, welche Erfahrungen er selbst als Auslandspfarrer in Schlangendorf (Smijiwka) in der Ukraine gesammelt hat und – natürlich – was seiner Ansicht der besondere Wert der bayerisch-ungarischen Verbindungen ist.

Vielen ist in Erinnerung, dass du beim letzten großen bayerisch-ungarischen Jubiläum im Herbst 2012 in Nürnberg gesundheitliche Probleme hinter dir hattest. Daher zunächst die Frage: Wie geht es dir heute?

Es geht mir inzwischen wieder sehr gut. Und das verdanke ich auch der Partnerschaft. Ich bin der Gemeinde in Sopron und der ungarischen Kirche sehr verbunden, denn hier gibt es viele Menschen, die es mir leicht gemacht haben, meine Aufgaben wieder aufzunehmen und Verantwortung übernehmen zu können. Dank schulde ich besonders auch Klára Tarr, der Leiterin des Außenamtes der ungarischen Kirche, die mich ermutigt hat wieder anzufangen.

Du bist unerwartet schwer erkrankt, musstest das Sprechen wieder von Null an lernen – was war dir da eine besondere Hilfe?

Was mich gehalten hat war, dass andere für mich gebetet haben. Dass sie mir zugetraut haben, dass es „wieder wird“, dass Zeiten kommen, in denen es wieder besser geht. Das hat mir ganz besonders Halt gegeben.

Ich gehe ein wenig zurück: 1995 hatte sich dir die Möglichkeit geboten, eine Pfarrstelle in der Ukraine anzunehmen? Was bewegte dich, diese Herausforderung anzunehmen, statt „in sicheren Gewässern“ in Bayern tätig zu sein?

Während meines Studiums in Oslo habe ich Studierende kennengelernt, die sich ganz klar darauf vorbereitet haben, ins Ausland, in die Mission zu gehen, zum Beispiel nach Thailand oder nach Afrika. Als ich aus Norwegen zurückkam, festigte sich in mir der Gedanke, dass es für mich nicht unbedingt gleich ein bayerisches Pfarrhaus sein muss, sondern dass ich mich gerne ins Ausland senden lassen würde. Ich nahm also Kontakt mit „Mission Eine Welt“, dem Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission, in Neuendettelsau auf. Dort gab es Angebote zur Begleitung und Ausbildung von Pfarrern und kirchlichen Mitarbeitenden in Tansania oder Papua-Neuguinea. In diese Zeit fiel dann die Anfrage, dass auch für die Ukraine Pfarrer gesucht werden. Meine Frau und ich sind dorthin gereist, haben Eindrücke gesammelt und haben Menschen kennengelernt, die uns sehr imponiert haben. So haben wir uns darauf eingelassen.

Was hast du in deinem Dienst, Ihr in eurem Leben in der Ukraine erfahren, was ihr aus Bayern nicht kanntet – was ihr also als bereichernde Eindrücke nach Bayern mitnehmen konntet?

Wir lebten in einem Dorf, in dem jeder auf der Straße freundlich grüßte. Alle wussten, das ist der evangelische Pfarrer. Wir hatten eine Kindergruppe von bis zu 60 Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und 18 Jahren. Man hat gemerkt: Beim Pfarrer sind die Kinder gut aufgehoben. Und es war eine tolle Sache, etwas vom evangelischen Glauben weitergeben zu können. Für mich ist das bis heute beeindruckend: Da gibt es Deutsche, die immer noch sagen: Es ist uns wichtig, dass unsere Kinder und Enkel evangelisch bleiben. Auch wenn die Mehrheit orthodox ist, wollen wir, dass unsere Kinder etwas kennenlernen, was uns fünfzig Jahre lang verwehrt war, was wir aber auch selbst als Bereicherung wieder entdeckt haben. Ich bin dankbar, dass wir damals gemeinsam mit den älteren Gemeindegliedern Schritte gehen konnten, mit der Jugend Glauben zu entdecken: Eine ältere Dame sprach mich mal nach einem Konfirmationsgottesdienst an und sagte: „Meine Mutter sagte mir einst: 'Ihr seid ja wie das Vieh, wisst nichts von Gott und Glauben und Kirche.' Und heute feiert meine Enkeltochter Konfirmation – dass ich das noch erleben darf …“

Nach der Zeit in der Ukraine hat sich dein Erleben von Partnerschaft sicher verändert. Dort – in Schlangendorf – vor Ort im persönlichen Miteinander der Gemeindeglieder, ab 2000 dann in kirchenleitender Weite und Verantwortung im Münchener Landeskirchenamt. Wie hast du diesen Wechsel wahrgenommen?

Ich will es einmal so sagen: Ich habe von 1995 bis 2000 eine Tiefenbohrung gemacht und durfte erfahren, wie es ist, in einer Gemeinde zu leben und in der politischen Gemeinde als Kirche präsent zu sein. Als ich 2000 ins Landeskirchenamt gekommen bin, war ich plötzlich verantwortlich für viele verschiedene Partnerschaften, zum Beispiel für die Beziehung zur ungarischen Landeskirche. Diese Partnerschaft war schon damals die am besten funktionierende Beziehung innerhalb der gesamten EKD. Meine Aufgabe war, das Miteinander mit den ungarischen Bischöfen zu pflegen, sowie das Knüpfen und Aufbauen von Kontakten zwischen Gemeinden, Kindergärten und evangelischen Schulen. Außer mit Ungarn hatte ich ähnliche Aufgaben auch mit den Kirchenleitungen in Tschechien, in der Ukraine und in Siebenbürgen. Es ist eine ganz spannende Aufgabe, wenn man sich zusammensetzen muss, Meinungsverschiedenheiten überwinden muss und nach gemeinsamen Wegen fragt. Und es ist schön zu sehen, wie sich eine Partnerschaft entwickelt, wie sie neue Aspekte gewinnt, und dass sie auch dann eng und intensiv bleibt, auch wenn Bischöfe oder Ansprechpartner im Laufe der Jahre wechseln. Das gilt auch für die Gemeinde in Sopron, wo wir jetzt gerade sind. Sie hat sich in der Partnerschaft ebenfalls weiterentwickelt, aber ich begleite mit Freude ihren Weg. Und es ist gut, dass wir als Partner gemeinsam unterwegs sind.

Du sprichst auch Veränderungen in der Partnerschaft an: Einst war Hauptaufgabe der Bayern, die ungarische Partnerkirche konkret materiell – im Kauf von Fahrzeugen und im Bau von Kirchen – zu unterstützen. Auch das hat sich ja verändert. Was ist das heutige Gesicht von Partnerschaft?

Wir haben früher Fahrzeuge für ungarische Pfarrer in der Diaspora angeschafft – und der damalige Bischof Dr. Béla Harmati berichtete auf jeder Landessynode stolz, wie viele Fahrzeuge durch die Hilfe aus Bayern angeschafft worden waren. Man hat auch begonnen, zum Beispiel am Plattensee und in Dunaújváros, Kirchen und Tagungshäuser zu errichten, damit die ungarische Kirche Bildungszentren aufbauen konnte.

Heute ist es eine wichtige Aufgabe, die Diakonie zu unterstützen. Ich finde es spannend, wie sich auch mit Hilfe des Diakonischen Werks Bayern eine Diakonie etabliert und Aufgabenbereiche für sich erschließt, die dann umgesetzt werden – zum Beispiel im Seniorenheim „Sarepta“ in Budapest, das wir vor wenigen Wochen eingeweiht haben.Eine weitere spannende Frage ist die der Bildung: Was kann eine Kirche, die in der Diaspora lebt, an wichtigen Akzenten setzen? Vor zwei Jahren wurde in Ungarn der Religionsunterricht flächendeckend eingeführt. Wie trägt der Lehrplan der heutigen Situation Rechnung? Wie können Religionslehrern und Pfarrern Fortbildungen ermöglicht werden? Auch in diesen Fragen fühlen wir uns unserer Partnerkirche ganz nah, und überlegen, wie wir die Zusammenarbeit auch in diesen Bereichen vertiefen können. Nicht zuletzt baut Bildung ja auch Gemeinde. Sopron ist da ein gutes Vorbild – mit so vielen deutschen Konfirmanden wie seit sieben Jahrzehnten nicht mehr: Eine gute Arbeit in den Kindergärten und Schulen kann das Interesse an der Kirche und am Glauben wecken. Die Frage, die uns da bewegt, ist: Wie lässt sich so etwas auch andernorts erreichen?

Jetzt drehe ich die Sicht mal herum: Welche Impulse aus dem ungarischen kirchlichen Leben kann den Bayern zur Bereicherung werden?

Ich denke, es ist immer noch so, dass die ungarische Kirche noch nicht von der Schnelllebigkeit in bayerischen Großstädten erfasst ist. Sie konzentriert sich auf Gottesdienste, auf die Jugend- und Konfirmandenarbeit sowie auf Erwachsenengruppen und Bibelkreise und will bleibende Werte vermitteln. Wir sehen, dass es in Ungarn besonders auf dem Land für Gemeindeglieder schwierig ist, sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ich erlebe, dass sie einen festen Halt im Glauben haben, der sie trägt. Wir können nach Bayern mitnehmen, dass dieser Halt im Glauben ausstrahlt. Wenn bayerische Partnerschaftsgruppen in Ungarn zu Besuch waren, sagen sie oft: Wir sind bereichert wieder nach Hause gefahren. Bereichert davon, dass Glaube nicht nur etwas Theoretisches ist, sondern Wirklichkeit, die wir mitnehmen können. Egal, was passiert, egal, in welche Schwierigkeiten wir geraten – aus dem Glauben können wir leben.

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